Intendierte Lernergebnisse
Ziel der LV ist es ein Verständnis über die Zusammenhänge von Produktions- und Lebensweisen von Menschen sowie die damit zusammenhängende Regulierung von Sexualität zu erwerben. Zu diesem Zweck gibt es einführende Vorträge, Diskussion, Gruppenarbeiten, Diskussion von zeithistorischen Materialien.
Inhalt/e
Die Lehrveranstaltung erörtert die Regulierung von Sexualität in Hinblick auf Klasse und Geschlecht. Auf der Basis zeitgenössischer Quellen wird die Konstruktion von Geschlecht vor dem Hintergrund sich verändernder Klassenverhältnissen nach 1945 und dem Bemühen einer (Re-) Etablierung der bürgerlichen Kernfamilie als allgemeines Lebensmodell diskutiert.„Sittlichkeitsdiskurse“ stehen in dieser Zeit für eine „Normalisierung“ von Gesellschaft und Geschlechterverhältnissen und die Abwehr abweichender Beziehungs- und Sexualitätsmodelle. Gleichzeitig sind die 1950er Jahren auch die Zeit, in der sich mit der Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaates und einer prosperierenden Wirtschaft ab der Mitte des Jahrzehnts Klassenverhältnisse verändern. Wesentliche geschlechterpolitische Konsequenz dieser Entwicklung war die Verallgemeinerung eines bürgerlichen Familienmodells. Frauenerwerbstätigkeit galt vor diesem Hintergrund als Quelle „sittlicher Gefährdung“, sie wurde auch für „Jugendverwahrlosung“ verantwortlich gemacht. Trotz steigenden politischen Einflusses bleibt die Arbeiter_innenschaft die „unmoralische“ Klasse. Hegemoniale Vorstellungen von Sexualität und Geschlechterverhältnissen werden nicht nur in Diskursen, sondern auch durch Zwang durchgesetzt: die Psychiatrisierung und Medikalisierung von Norm-abweichender Sexualität gehört ebenso zu den Mitteln der Zeit, wie die Einweisung in Erziehungsheime.
Literatur
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