Intendierte Lernergebnisse
Das Ziel der Lehrveranstaltung ist es, ein grundlegendes Verständnis über das Wechselverhältnis von Wissen, Wissenschaft und Demokratie zu vermitteln. Die Studierenden erhalten einen Einblick in zentrale Konzepte und Theorien der Wissenschafts- und Technikforschung (Science & Technology Studies) und der Politikanalyse (Public Policy Analysis) und lernen diese auf konkrete Fälle der Wissenschafts-Politik-Interaktion in modernen Demokratien empirisch anzuwenden. Die Studierenden sind am Ende der LV in der Lage, den verhandelten Charakter von Expertise zu erkennen und die Rolle von Wissen und Expertise in Politik und Gesellschaft kritisch zu bewerten. Die Studierenden können Chancen und Herausforderungen für die Demokratie durch neue Wissenstechniken und -institutionen sowie aktuelle Entwicklungen reflektiert bewerten.
Lehrmethodik
Inputs der LV-Leiterin; gemeinsame Diskussion von grundlegenden Texten und aktuellen Beispielen; Erarbeitung, Präsentation und Diskussion von selbstständig recherchierten Fallstudien
Inhalt/e
In modernen Gesellschaften sind Wissen, Wissenschaft und Demokratie aufs Engste miteinander verwoben. Ob es um weltweite Klimaziele, die Regulierung von Nanomaterialen, die Entwicklung von europäischen Bildungsstandards oder, aktuell, das Setzen von Maßnahmen zurBekämpfung des Corona-Virus geht geht – wissenschaftliche Expertise dient als wichtige Grundlage für politische Entscheidungen. Dementsprechend finden wir eine Vielzahl von Akteuren, Organisationen, Institutionen und Instrumenten, die einer ‚Verwissenschaftlichung‘ von Politik dienen. Das Verhältnis von Wissen und Demokratie ist jedoch nicht immer spannungsfrei, sondern gestaltet sich oft ambivalent. Wissen führt nicht automatisch zu besseren und rationaleren Entscheidungen, sondern wird oft selbst zum Gegenstand politischer und öffentlicher Auseinandersetzungen und Aushandlungen. So werden gänzlich unterschiedliche politische Positionen mittels (gegensätzlicher) Expertisen gerechtfertigt oder die Unsicherheiten im Wissen werden als Legitimation für Nichthandeln genutzt. Zudem stellt sich die Frage, ob und wie Wissen und Expertise so in die Politik einfließen können, dass es mit demokratischen Prinzipien vereinbar ist.Als jüngeres Phänomen wird in postfaktischer Politik die Autorität von Wissenschaft und ExpertInnen gänzlich untergraben und damit einhergehend eine tiefgehende Krise der Demokratie attestiert. Zugleich konfigurieren neue technologische Entwicklungen im Bereich Big Data und künstlicher Intelligenz das Verhältnis von Wissen und Demokratie neu. So werden Hoffnungen auf rationalere und wissensbasierte Politik neu belebt durch neue Möglichkeiten der Verarbeitung von immer mehr Informationen, während gleichzeitig die Undurchsichtigkeit und ungeklärte Verantwortlichkeiten algorithmischer Entscheidungen neue Herausforderungen für die Demokratie bedeuten.Das Seminar dient als einführende Lehrveranstaltung des Gebundenen Wahlfachs „Demokratie, Macht, Politik“ im Masterstudium „Wissenschaft, Technik & Gesellschaft“ und wird im Sommersemester durch das Seminar „Politik des Materiellen: Standards, Infrastrukturen und die (Re)Produktion von Ungleichheit“ und die Übung „Technikfolgenabschätzung“ ergänzt. Das Seminar kann jedoch von Studierenden anderer Studiengänge auch gut als eigenständige Veranstaltung absolviert werden.Folgende Themen werden in der LV behandelt:- Postfaktische Zeitalter und Post-Truth als Gefahr für die Demokratie?- Verwissenschaftlichung von Politik und Politisierung von Wissenschaft- Was ist Expertise? Rolle von Expert*innen in der Demokratie & Demokratisierung von Expertise- Zweifel, Unsicherheit und Nichtwissen als politische Strategien- Akteure, Organisationen und Instrumente der Politikberatung- Die Macht von Zahlen und Statistiken- Expertise aus dem Computer: Modelle & Algorithmen- Wissen als Macht in internationalen Beziehungen- Medialisierung von ExpertiseDie Themen werden mit Bezug zu aktuellen empirischen Beispielen der Wissenschafts-Politik-Interaktion in demokratischen Gesellschaften diskutiert, insbesondere im Bereich der Umweltpolitik (z.B. internationale Assessments wie das Intergovernmental Panel on Climate Change oder die Rolle von Klimawandelskeptiker*innen), Bildungspolitik (z.B. die Rolle von internationalen Vergleichen wie der PISA-Studie) und Gesundheitspolitik (aktuell die Rolle von Expert*innen in der öffentlichen und politischen Debatte um Covid19; die Rolle internationaler Organisationen wie der WHO). Bei den Beispielen ist eine Anpassung an die Interessen und Hintergründe der Studierenden vorgesehen.
Curriculare Anmeldevoraussetzungen
keine
Literatur
Wird in der ersten Einheit bekannt gegeben und in Moodle zur Verfügung gestellt