Intendierte Lernergebnisse
Genese und Wirken des Plattformkapitalismus (Srnicek) aus "langer Sicht"(Wood) nachvollziehen und mittels verschiedener medientheoretischer Ansätze (strukturalistischer und agentieller) erschließen können
Lehrmethodik
Frontalunterricht, Gruppenarbeit, Referate, Textlektüre
Inhalt/e
Die "Plattform" wird gegenwärtig sozial- und kulturwissenschaftlich v.a. metaphorisch zur Bezeichnung digitaler Strukturen verwendet, auf der Nutzer*innen sich "bewegen", um mit anderen Nutzer*innen in Verbindung zu treten, um Produkte zu kaufen, um Karriere zu machen, um Zerstreuung zu finden, um Schaulust zu befriedigen usw. Die Plattform steht somit in der Arbeit sowie in der Freizeit, zwischen den Nutzer*innen und ihren Bedürfnissen und Verlangen, oft ist ihr Gebrauch schlicht alltägliche Notwendigkeit. Im modernen Wortsinne wird demnach mit der "Plattformisierung der Gesellschaft" (van Dijck et al. 2018) eine Entwicklung beschrieben, die auf grundlegender Ebene schonmal vollzogen wurde: Eine Struktur, die sich auf weiter Flur zwischen die Bedürfnisse, Notwendigkeiten und ihre subjektiven Träger*innen stellt, wurde mit dem Aufkommen des Kapitalismus bereits in Form des Marktes etabliert. Erst da sich der Markt, wie Sören Mau schreibt, "zwischen das Leben und seine Bedingungen" stellt, d.h. erst wo Menschen ihn aufsuchen müssen, um ein Auskommen bestreiten zu können, werden aus Marktmöglichkeiten, die für einige offen standen, Marktimperative, die für die meisten gelten (Wood). In Folge dieser Zementierung zur alltäglichen Plattform, auf die Personen zugreifen müssen, entfalten sich wettbewerbliche Gesetzmäßigkeiten, um Wachstum und technologische Innovation im Sinne der Profiterzielung auf immer weiterer Flur (Brenner; Wood). Da die Vorteile einer marktbasierten und wettbewerbsorientierten Gesellschaft, zumal z.Z. des frühen Manchesterkapitalismus, inklusive Kinderarbeit, weitreichender Verelendung, Pauperisierung und Überausbeutung nicht allen (zumal zwangsweisen) Marktteilnehmer*innen einsichtig waren, drängte sich für einige Kritiker*innen des Kapitalismus, die Frage auf, wie diese, aus ihrer Sicht pseudo-demokratische "Herrschaftsweise" gegen das Allgemeininteresse fortwirken konnte. Darauf gab es für sie im Wesentlichen zwei Antworten: 1) die Menschen mögen, anders als im Feudalismus, nicht in direkter-persönlicher Abhängigkeit zu einem Herrscher stehen, aber trotzdem zur Mitwirkung genötigt sein, da sie über die Runden kommen müssen, es gelte der "stumme Zwang ökonomischer Verhältnisse" (Marx). 2) die Menschen bilden ein "falsches Bewusstsein" aus, dass sie mit den Verhältnissen versöhnt und darüber hinaus dazu motiviert in diesen und für diese tätig zu werden (ebf. Marx). Die zweite Erklärung bezeichnet das Terrain der Ideologie. Der Kapitalismus ist demnach nicht bloß zwangsbasiert, sondern bietet den Akteur*innen etwas, kommt in verschiedenen Formen zum Ausdruck.Solcherlei Kritik blieb jedenfalls nicht folgenlos. Sie materialisierte sich auch praktisch in Form von Streiks und Straßenkämpfen, gar Revolution, machte wiederum ideologische Anpassungen notwendig (vgl. Gramscis "passive Revolution"; Boltanskis/Chiapellos "Geist des neuen Kapitalismus"). In dieser LV werden wir uns dieser Geschichte der Plattform Kapitalismus bis hin zum heutigen Plattformkapitalismus etappenweise nähern und dabei von Gramsci, über Marcuse bis Habermas und Zuboff, insbesondere auch die zentrale Rolle von Medien, Technologie und Kultur sowie Ideologie beleuchten.