Intendierte Lernergebnisse
Nach Abschluss des Seminars sind die Studierenden in der Lage:- die Konzepte Sprachvariation, Sprachwandel und Sprachkontakt zuerläutern und zu exemplifizieren;- den Erwerb von Wissen über die Geschichte und Gegenwart der historisch deutschen Minderheitensprachen in Norditalien nachzuweisen;- Sprachdaten zu den Minderheitensprachen aus dem AlpiLinK-Korpus <https://doi.org/10.5281/zenodo.8360169> in phonologischer, morphologischer, syntaktischer oder lexikalischer Hinsicht unter Berücksichtigung des Sprachkontakts zu analysieren;- den Wert der Mehrsprachigkeit für den Kulturraum, die Sprechergemeinschaften und die individuellen Sprecher zu erläutern;- Ergebnisse der Analysen und Einsichten mündlich und schriftlich zupräsentieren;- erfolgreichen Umgang mit wichtigen und vor allem digitalen Ressourcen und Instrumenten der empirischen Sprachwissenschaft zu zeigen, auch im Hinblick auf deren spätere Anwendung außerhalb dieses MA-Seminars.
Lehrmethodik
In den verschiedenen Phasen des Seminars werden die folgenden Methoden eingesetzt:- Dozentenvortrag;-Unterrichtsgespräch;- Workshop-Phasen zur Einübung praktischer analytischer Fähigkeiten;- autonome Analysen (bei Bedarf vom Dozenten unterstützt);-Studierendenpräsentationen (als Referat und Hausarbeit, mit Feedback durch den Dozenten).
Inhalt/e
Der italienische Alpenbogen beherbergt zahlreiche Sprachvarietäten aus der romanischen, germanischen und slawischen Sprachfamilie, die zum Teil durch das Staatsgesetz 482/1999 offiziell als Minderheitssprachen anerkannt und gefördert werden. Die historisch deutschen Minderheitensprachen gliedern sich in eine westliche Gruppe alemannischen Ursprungs, die als Walserdeutsch bezeichnet wird, und eine östliche Gruppe bairischen Ursprungs, zu der Deutsch-Fersentalerisch, Zimbrisch, Plodarisch, Zahrerisch (Sauranisch), Tischelwangerisch und Kanaltal-Deutsch gehören. Seit den Anfängen der germanistischen Sprachwissenschaft besteht ein großer Interesse an diesen sog. "Außenmundarten", "Kolonien" oder"Sprachinseln", die dadurch besser dokumentiert und beschrieben sind als die allermeisten binnendeutschen Dialekte. Die Varietäten beider Gruppen zeichnen sich einerseits aufgrund der Bewahrung von Merkmalen der Herkunftsdialekte (aus der Zeit der Besiedelung der Sprachinseln seit dem hohen Mittelalter) durch Konservativität aus, andererseits durch Neuerungen, die durch den Kontakt mit den romanischen Nachbarvarietäten induziert sind. Für keine der Minderheitensprachen ist Standarddeutsch Orientierungsinstanz, auch wenn es heute in den Minderheitengebieten besonderes Interesse für Deutsch (zum Beispiel in der Schule) gibt. In den meisten Sprachinseln sind Sprachkompetenz und der Gebrauch der historisch deutschen Minderheitensprache gering, die Gemeinschaften verwenden primär romanische Varietäten. Es erscheint fraglich, ob der Vitalitätsgrad der Minderheitensprachen mit sprachpolitischen Maßnahmen stabilisiert oder gar erhöht werden kann. Die lokalen Identitäten dieser Gemeinschaften als etwa cimbri "Zimbern" existieren allerdings dessen ungeachtet weiter, auch ohne aktive Sprachkompetenz.Im ersten Teil des Seminars werden Geschichte und Gegenwart der historisch deutschen Minderheitensprachen eingeführt. Dabei wird auch das vom Dozenten geleitete Projekt AlpiLinK <https://alpilink.it> vorgestellt, in dem einerseits sprachkontaktinduzierter Wandel untersucht wird, andererseits in der Bevölkerung das Wissen über und die Wertschätzung der Minderheitensprachen als relevanter Teil des kulturellen Erbes der Region erhöht werden soll. Im zweiten Teil werden dann ausgewählte grammatische und lexikalische Phänomene behandelt, die zum Teil sprachkontaktinduziert sind. Dabei führen die Studierenden autonome Analysen mit Daten des AlpiLinK-Korpus <https://doi.org/10.5281/zenodo.8360169> durch.
Erwartete Vorkenntnisse
Grundkenntnisse in deutscher und allgemeiner Sprachwissenschaft, wie sie in den zu diesem MA-Studiengang führenden BA-Studiengängenvermittelt werden.
Literatur
Zur Einführung wird folgender Überblicksartikel empfohlen.Rabanus, Stefan, Ermenegildo Bidese & Silvia Dal Negro (2019): Deutsch als Minderheitensprache in Italien. In: Joachim Herrgen & Jürgen Erich Schmidt (Hrsg.): Sprache und Raum. Ein internationales Handbuch der Sprachvariation. Bd. 4: Deutsch. Berlin/Boston: De Gruyter Mouton, 1096–1114 (HSK 30.4) <https://doi.org/10.1515/9783110261295-042>.Literatur und Ressourcen zu den einzelnen Minderheitensprachen sind über das AlpiLinK-Portal zugänglich, und zwar in der Sektion "UnsereVarietäten": <https://alpilink.it/de/le-nostre-varieta>.Weitere Literaturwird im Verlauf des Seminars angegeben.