Lehrmethodik inkl. Einsatz von eLearning-Tools
Interpretationen literarischer Texte mittels differenter MethodenGemeinschaftliche und individuelle Erschließung wissenschaftlicher Texte(Methoden)Diskussionen
Inhalt/e
»Bekämpfen Sie das häßliche Laster der Interpretation!
Bekämpfen Sie das noch häßlichere Laster der richtigen Interpretation!«
- Hans Magnus Enzensberger (1976)Im August 1976 trat Hans Magnus Enzensberger vor die illustre Versammlung der American Association of Teachers und wagte in einer Rede unter dem Titel "Bescheidener Vorschlag zum Schutze der Jugend vor den Erzeugnissen der Poesie" eine provokante Zuspitzung betreffend die zeitgenössische Relevanz der Textinterpretation. "Auch der harmloseste Gegenstand nämlich kann [...] gemeingefährlich werden, wenn er [...] in verbrecherische Hände fällt", erklärte der deutsche Dichter und unterstrich seine These mit plakativen Beispielen wie dem "friedliche[n] Zwiebelmesser in der Faust des Amokläufers, de[m] hilfreiche[n] Sicherheitsstecker in der Hand des Psychiaters, der wieder mal einem aufsässigen Patienten einen Elektroschock verpaßt - und [...] [dem] harmlose[n] Gedicht in der Aktentasche des Deutschlehrers." (Enzensberger 1976: Z. 8f.)Die Textinterpretation gilt unbestritten als eine der wissenschaftlichen Kernkompetenzen - doch: "Was ist ein [...] Text und was heißt es, ihn zu verstehen?" (vgl. Frank 1990, Jahraus 2004). Wie gelingt eine wissenschaftliche Textinterpretation und gibt es so etwas wie die "richtige Interpretation" eines Textes überhaupt? Ausgehend von Enzensbergers Bescheidenem Vorschlag werden wir uns im Semesterverlauf diesen und weiteren drängenden Fragen annähern. Werkzeug statt Waffe: Ins Zentrum des Kurses rücken sowohl klassische Positionen (Hermeneutik, Strukturalismus) als auch rezeptionsästhetische Methoden (Poststrukturalismus, Dekonstruktion) und jüngere methodische Modelle (Intertextualität, Ethnografie, Soziologien, Anthropologien, Visual/Gender/Queer Studies, Biopoetik, Raumtheorie). Am konkreten Beispielen werden wir die theoretischen Grundlagen nicht nur reflektieren und kritisch beleuchten, sondern zugleich praktisch anwenden.Zitierte Literatur:Hans Magnus Enzensberger: »Bescheidener Vorschlag zum Schutze der Jugend vor den Erzeugnissen der Poesie.« In: Ders.: Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen. Frankfurt a.M. 1988, S. 23-41.Manfred Frank: »Was ist ein literarischer Text und was heißt es, ihn zu verstehen?« In: Ders.: Das Sagbare und das Unsagbare. Studien zur deutsch-französischen Hermeneutik und Texttheorie. Frankfurt a.M. 1990, S. 121-195.Oliver Jahraus: Literaturtheorie. Theoretische und methodische Grundlagen der Literaturwissenschaft. Tübingen/Basel 2004.
Curriculare Anmeldevoraussetzungen
keine
Literatur
Texte und/oder Auszüge aus relevanten Publikationen werden den Student:innen via Moodle zur Verfügung gestellt.