Intendierte Lernergebnisse
Das Seminar macht die Studierenden mit Perspektiven und Zugängen einer kulturwissenschaftlichen Fotografie- und Biografieforschung vertraut. Sie lernen außerdem Aspekte der Wissenschaftsgeschichte der Volkskunde – in ihrem Verhältnis zur Geografie und Raumordnung – kennen.Die Studierenden sammeln Erfahrungen darin, an einen Fundus publizierter „Amateurfotografien“ Fragen zu stellen und Antworten darauf zu suchen. Sie lernen mit dem Material kritisch umzugehen, d.h. die darin angelegten normativen Wertungen nicht fortzuschreiben. Dies gilt besonders auch für die dem Material eingeschriebenen Geschlechterbilder.Die Studierenden erkunden, nach welchen Prinzipien die im Seminar diskutierten Fotografien bislang in Ausstellungen und auf dem Buchmarkt präsentiert wurden. In Auseinandersetzung damit stellen sie Überlegungen zu alternativen Vermittlungsinhalten und -formaten an.
Lehrmethodik
Das Seminarthema ist grob vorstrukturiert, aber nicht in jeder Hinsicht „vorgegeben“. Gemeinsam soll ausgelotet und ausprobiert werden, unter welchen Aspekten und mit welchen Zugängen die im Seminar behandelten Fotografien thematisiert und problematisiert werden könnten. Einen Schlüssel dazu bildet neben der gemeinsamen Lektüre die Betrachtung und Diskussion von Fotografien in der Gruppe. Dabei auftauchende Assoziationen werden als Erkenntnisquellen produktiv gemacht.Wichtig für das gemeinsame Vorhaben ist ein Klima gegenseitiger Wertschätzung und Ermutigung in der Gruppe. Das Lustvolle am Arbeitsprozess soll gefördert, das Angstbesetzte verringert werden.
Inhalt/e
Zu ihrem 90. Geburtstag 2007 erhielt Erika Hubatschek (1917–2010) das „Ehrenzeichen des Landes Kärnten“ und eine Festschrift, verlegt vom Landesarchiv, überreicht. Sie bedeutete dem „offiziellen Kärnten“ also etwas – und das nicht nur qua ihrer Geburt. 1917 in Klagenfurt/Celovec zur Welt gekommen, dissertierte sie 1940 an der Universität Innsbruck über „Die Almen des oberen Lungau“. Für das „Bergbäuerliche“ hatte die Geographin und Volkskundlerin sich – so erzählte sie später – im Gailtal/Zilijska dolina zu begeistern begonnen, wo ihr Großvater mütterlicherseits „weichender Bauernsohn“ gewesen war. 1953 erstellte sie in Raumordnungskontexten eine Studie über Bauernhöfe auf der Saualpe/Svinška planina, die allerdings erst 1970, zur 50-Jahr-Feier der Kärntner Volksabstimmung/Koroški plebiscit, erschien.Hubatscheks Methodik ähnelte z.T. der einer Ethnologin. Vor Ort arbeitete sie auf Feldern und Steilhängen mit. Vor allem hieß „Forschen“ für sie aber „Fotografieren“, und zwar als Autodidaktin hinter der Kamera. Als solche positionierte sie sich im – vielfach von traditionellen Geschlechterhierarchien geprägten – Feld bergbäuerlichen Arbeitens und Lebens. Ihre Aufnahmen wurden häufig als „dokumentarisch“, „authentisch“ und „unsentimental“ gelobt. Hervorgehoben – und mitunter mit heroisierender NS-Fotografie kontrastiert – wurde Hubatscheks respektvolles „Menschen“- und vor allem „Frauenbild“. In den vergangenen Jahren jedoch kam es auch zu einer Diskussion um ihre – von ihr selbst kaum thematisierte – Biografie in der NS-Zeit und die ideologischen Implikationen ihrer Fotografien vor dem Hintergrund ihrer akademischen Ausbildung. Es gelte „verstehen zu können, wie sie zu ihrem Blick gekommen ist und offensichtlich diesen nicht zu hinterfragen und zu wechseln vermochte“, so der Historiker Wolfgang Meixner. Um dieses Verstehen bemühen wir uns anhand von Bildern – u.a. aus Kärnten/Koroška – und versuchen dabei selbst, Blickwechsel zu vollziehen.
Literatur
Wolfgang Meixner: Besprechung zu Erika und Irmtraud Hubatschek: Almzeit. Up on the Alp. Edition Hubatschek, Innsbruck 2023. In: Tiroler Heimat, 87 (2023), S. 296–301.Friedrich Walter Merlin, Stefan Hellebart u. Michael Machatschek (Hg.): Bergwelt im Wandel. Festschrift für Erika Hubatschek zum 90. Geburtstag. Klagenfurt 2007.Christine Gamper u. Reinhard Bodner: Sagbares über das Ungesagte. Erika Hubatschek und der Nationalsozialismus. In: 20er. Die Tiroler Straßenzeitung, Nr. 239, 11/2022, S. 40–42.Weitere Literatur wird zu Beginn der Lehrveranstaltung bekannt gegeben.