Intendierte Lernergebnisse
Die Geschichte und Gegenwart des Automobils ist eng verwoben mit dem Handeln, den Wünschen und dem Begehren der Subjekte und ihrer Institutionen, die zugleiche eine spezifisch Bildsemantik hergestellt haben. Die Autobahnen, Straßen, Verkehrsregeln, Verkehrserziehung etc. sind die Ergebnisse des Handels von Menschen mit ihnen verbundenen Institutionen, Machtapparaten und Regeln und nicht von Dingen.
Lehrmethodik
Lehrenden-Input, Referate, Gruppenarbeit, Literaturrecherche usw.
Inhalt/e
Der Fordismus (benannt nach dem Automobilhersteller Heny Ford) brachte den Durchbruch des Automobils als massenhaft verkaufbares Konsumgut. Das Auto erwächst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum stil- und epocheprägenden technischen Artefakt und wird weit mehr als ein Fortbewegungsmittel, das die Menschen von A nach B zu bringen hilft. Es sind um das Automobil ganze Infrastrukturen entstanden (Straßen, Autobahnen, Tankstellen, usw.), es trug zur Demokratisierung der Mobilität bei und war zugleich eine logistische Voraussetzung für den Banküberfall als massenhaftes kriminelles Delikt Anfang der 60er Jahre. Das Auto wird zum unverzichtbaren Bestandteil einer "imperialen Lebensweise" (Brand/Wissen).Um das Automobil herum sind vielfältige Bildwelten entstanden, die immer wieder an- und abgerufen werden können. Sei es in Filmen, in der Werbung oder in zahlreichen Imaginationen, die das Sprechen über das Auto in vielfältiger Weise prägen und geprägt haben. Im historischen Verlauf wurde eine vielfältige Markenwelt entwickelt, die die soziale Welt zu repräsentieren hilft und zum anderen eine quasi-religiöse Funktion erhalten hat. "Ich glaube, daß das Automobil heute die ziemlich genaue Entsprechung dergroßen gotischen Kathedralen ist." (Roland Barthes)Henry Ford revolutioniert die Arbeitsorganisation in den industriellen Fabriken (Stichwort Taylorisierung und Fließbandproduktion); die Stadtplanung seit den 1950er Jahren richtete sich nach den politischen Vorgaben einer „autogerechten Stadt“ ein; die Autobahn wird bis heute – fälschlicherweise – den Nazis als Verdienst zugeschrieben, das Auto erwächst zum Statussymbol und zu einem wichtigen sozialen Distinktionsmerkmal; seine Nutzung dient ebenso zur Herstellung, Verdoppelung und Befestigung von Genderstereotypen (Stichwort GTI-Treffen in Kärnten / Koroška) wie der Überwindung von räumlichen Distanzen, die Verkehrserziehung wurde erfunden, es gibt den „Krieg“ auf den Straßen und die Forderung nach Tempo 100 zählt inzwischen zur sogenannten Cancel-Culture.In jüngster Zeit avanciert das Auto und seine Nutzung zum Symbol für den Umgang mit der Klimakrise und die Proteste der „Letzten Generation“ (die sich auf Verkehrsknotenpunkten festkleben) sollen angeblich dazu beitragen, dass sich Menschen nicht für nachhaltige Maßnahmen gegen die Klimakrise einsetzen. Der SUV vor den Schulen führt zu heftigen Polemiken und ein grüner Ministerpräsident im Automobilproduktionsstandort Baden-Württemberg warnt die Mitglieder seiner Partei vor einem möglichen Kulturkampf um das Auto.Der Kulturkampf hat aber schon längst begonnen ("Österreich ist ein Autoland", Karl Nehammer) und eine kulturwissenschaftliche Kontextualisierung ist notwendig, um etwas analytische Klarheit in das Gemisch aus Mobilitätspraktiken, Statusdenken, Distinktionspraktiken, toxischer Männlichkeit und ökonomischer Abhängigkeiten versuchen zu erhalten.
Literatur
Barthes, Roland (2010/1957): Der neue Citroën. In: ders.: Mythen des Alltags. Frankfurt/M., S. 196-198.Schönberger, Klaus (2019), Vom Leitfossil zum Monument und Fetisch. Denk(mal)würdiges zu einer künftigen Erinnerung an die Automobilisierung. In: Eggmann, Sabine/ Susanne Kolbe/ Justin Winkler (Hrsg.): Wohin geht die Reise? Eine Geburtstagsgabe für Johanna Rolshoven. Online-Publikation: https://www.geruchderzeit.org/schonberger-denkmalwurdiges/. Online verfügbar: https://www.geruchderzeit.org/wp-content/uploads/2019/07/38_schoenberger.pdf [Zugriff 1.7.2022]Schönberger, Klaus (2020), Vorsprung durch Technik und die nationale Identität. In: Der Standard, 6.11.2020 (Blog: Kulturanalyse des Alltags). Online unter: https://www.derstandard.at/story/2000121438195/vorsprung-durch-technik-und-die-nationale-identitaet [Zugriff 1.7.2023]Wetterauer, Andrea (2007), Lust an der Distanz: Die Kunst der Autoreise in der "Frankfurter Zeitung". Tübingen