Intendierte Lernergebnisse
- Die Studierenden erhalten einen Überblick über die inhaltlichen und ästhetischen Gestaltungsweisen von Roman- und Filmanfängen- Die Studierenden können eigene Leseerfahrungen reflektieren und die Wirkungsweisen von Textanfängen innerhalb von Lese- und Rezeptionsanfängen diskutieren- Die Studierenden überschauen in literarhistorischer Perspektive die Verfahren von Romananfängen von ca. 1800 bis zur Gegenwart.
Lehrmethodik
- Mischung aus Lehrenden-Vortrag, Diskussion im Plenum und Präsentation von Studierenden-Seite- Mögliche Kurz-Referate von Seiten der Studierenden- gemeinsame Arbeit an konkreten Texten- Vermittlung von Unterrichtsinhalten zur Vertiefung über digitale Medien
Inhalt/e
Das obige Zitat von Samuel Beckett scheint zumindest nicht für die Fortsetzung oder gar Kontinuität einer Bekanntschaft nach dem ersten Kennenlernen zu gelten. Nach einer Melange bekannter Ansichten aus Volksmund und Kommunikationspsychologie entscheiden angeblich weniger als die ersten fünf Sekunden, ob das Gegenüber etwas taugt – oder nicht! Wie verhält es sich bei Erzählungen, Romanen oder Filmen zu Beginn ihrer Rezeption? Von literaturkritischer Seite haben unter anderem Georg Lukács und Karl Heinz Bohrer darauf verwiesen, dass bereits die ersten Zeilen eines Textes darüber entscheiden, welche ästhetische Qualität eben dieser hat, das heißt: sie antizipieren quasi das literarische Werturteil der Leser*innen. Endet mit diesen Zeilen bereits die Lektüre eines Romans, einer Erzählung oder auch eines Films und inwieweit kann ein sogenannter Eye-Catcher zu Beginn auch den weiteren Rezeptionsprozess (positiv) beeinflussen? Haben Romananfänge eine motivierende oder eine demotivierende Wirkung auf den Lesevorgang und inwieweit enthalten diese bereits Informationen über den Gesamtkorpus? Wie müssen die einführenden Passagen(formal-)ästhetisch gestaltet sein, um das Lesen in Gang zu setzen und gibt es innerhalb der Literaturen zwischen 1800 und der Gegenwart so etwas wie eine eigenständige Poetik des Anfangs? All diese Fragensind Grund genug, sich mit verschiedenen einleitenden Passageninnerhalb der Roman- und Filmkultur und deren struktureller, inhaltlicher und ästhetischer Funktion auseinanderzusetzen. Nach einer einführenden Betrachtung relevanter theoretischer Positionen zum Themenkomplex, etwa von Walter Benjamin, Georg Lukács, Norbert Miller und Karl Heinz Bohrer, könnten als Autor*innen exemplarischer Roman- und Erzählanfänge herangezogen werden: Jean Paul, E.T.A. Hoffmann, Theodor Fontane, Adalbert Stifter, Marie von Ebner-Eschenbach, Gustave Flaubert, Stefan Zweig, Gabriele D’Annunzio, Franz Kafka, Robert Musil, Marcel Proust, Virginia Woolf, Alain Robbe-Grillet, Josef Winkler, Elfriede Jelinek, Arno Schmidt, Uwe Johnson, Mario Vargas Llosa, António Lobo Antunes und Georg Klein etc., aber auch die Startsequenzen, erste Szenen bzw. Intros des einen oder anderen Spielfilms (oder Comics). Die genauere Text- und Medienauswahl wird zu Beginn des Sommersemesters noch bekannt gegeben und soll auch mögliche Lektürewünsche der Studierenden mit einbeziehen. Falls das Interesse besteht, kann sich in der letzten Sitzung der Lehrveranstaltung auch praktisch mit der eigenen Gestaltung eines (knappen) Roman- oder Erzählanfangs auseinandergesetzt werden.
Erwartete Vorkenntnisse
- Grundkenntnisse der Textanalyse, sowie im Bereich der Lektüre von Romanen.- Bereitschaft, sich wöchentlich mit Textpassagen im Gespräch auseinanderzusetzen.
Curriculare Anmeldevoraussetzungen
- Wünschenswert wären der vorherige Besuch des Grundkurses Literaturwissenschaft und der Lehrveranstaltung "Textanalyse".
Literatur
- Harald Beck (Hg.): Roman-Anfänge. Rund 500 erste Sätze. Excerpiert und wohlsortiert, Zürich 1992.- Karl Heinz Bohrer: "Die 'Antizipation beim literarischen Werturteil'. Über die analytische Illusion", in: ders.: Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, Frankfurt am Main 1981, S. 29-42.- Ulrike Krieg-Holz/Christian Schütte (Hgg.): Textanfänge. Konzepte und Analysen aus linguistischer, literaturwissenschaftlicher und didaktischer Perspektive, Berlin 2019.- Norbert Miller (Hg.): Romananfänge. Versuch zu einer Poetik des Romans, Berlin 1965.- Andreas Wolkerstorfer: Der erste Satz. Österreichische Romananfänge 1960- 1980, Wien 1994