Intendierte Lernergebnisse
Die Studierenden können Geschlechterungleichheiten und Diskriminierungen in Organisationen und Institutionen identifizieren und problematisieren.Sie können diese auf ihre Lebenswelt übertragen bzw. ihre Arbeitswelt in Hinblick auf Geschlecht und andere Diversitätsdimensionen und damit zusammenhängende Diskriminierungsstrukturen reflektieren.Die Studierende haben ein Verständnis über Frauenförderungs-, Gleichstellungs-, und Diversity-konzepte in Organisationen erlangt und können dazu eigene Maßnahmen für eine diskriminierungsärmere und gleichstellungsorientierte Organisationsstruktur und -kultur zu entwickeln (im kleinen Rahmen).
Lehrmethodik
Diskussionen im Plenum und Kleingruppen mittels interaktiver, kreativer, digitaler Methoden, hierbei soll auch Raum für Erfahrungslernen geschaffen werdenVortrag von Expert*innen aus der Praxis & gemeinsame ReflexionTextlektüre und kurze schriftliche Reflexion „Lesenotizen“Arbeiten in Gruppen, kreative Textpräsentation (keine klassische PPT) mit dem Ziel Moderation und Anleiten von Gruppen zu erproben, z. B. durch die Moderation des externen Vortrags
Inhalt/e
Mit Kleinkindesalter bewegen wir uns in Institutionen bzw. Organisationen. Auf den ersten Blick scheinen sie neutral bzw. geschlechtslos zu sein, bei einem genaueren Blick zeigt sich jedoch, dass “Arbeitsbereiche in Organisationen [… ] in ihrer Mehrzahl geschlechtersegregiert [sind], d.h. die Berufsfelder und Tätigkeitsbereiche werden jeweils von einem Geschlecht dominiert: Männliche Grundschullehrer sind selten, weibliche Piloten auch” (Müller et al 2013). Geschlechterspezifische Strukturen sind oft mit Privilegien und Ungleichheiten verknüpft. Darüber hinaus sind Arbeitsplätze von weiteren Strukturen der Ungleichheiten entlang von Differenzlinien wie Ethnizität, Klasse oder Alter durchzogen. Sichtbar wird dies u.a. durch Praxen wie Rekrutierung und Einstellung über Netzwerke von Freund*innen und Kolleg*innen, wodurch “geschlechterspezifische und rassifizierte Hierarchien repliziert werden” (Acker 2013).In der LV möchten wir ausgewählte Organisationen bzw. Institutionen aus den Bereichen Wirtschaft sowie Wissenschaft und Forschung untersuchen und gemeinsam eruieren wie Differenzierungen, gegenderte, rassifizierte und klassizistischen Strukturen der Dominanz und Ungleichheiten durch formalisierte organisationale Praktiken und informelle soziale Praktiken hergestellt werden (vgl. Bourdieu’s Konzepte zu sozialen Praktiken, Sozialkapital, Habitus). Am Eindrücklichsten wird dies wohl durch sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt am Arbeitsplatz sichtbar. Ein zentrales Element der LV ist, es Expert*innen und Akteur*innen aus Organisationen einzuladen, die von ihren Erfahrungen berichten und Einblicke in ihren Arbeitsalltag geben. Im ersten Teil der LV wird der Frage nachgegangen, ob Organisationen geschlechts- bzw. diversitätslose Systeme sind, oder nicht, und ob sie doch implizit oder explizit sich an der Norm weißer bürgerlicher Männer orientieren (z. B. Arbeitszeit-, Pensionsmodelle, Organisationskultur, Idealtypus einer Führungskraft, Gläserne Decke, horizontale und vertikale Geschlechtersegregation etc.). Antworten darauf finden wir mittels intensiver Textlektüre, die einen Überblick über das Thema Geschlecht und Diversität in Organisationen gibt. Im zweiten Teil der LV werden die Studierenden anhand der ausgewählten Bereiche aus Wirtschaft, Politik sowie Wissenschaft und Forschung vertiefen und eine Einheit zu dem Thema, in denen auch die Vorträge der Expert*innen stattfinden, leiten bzw. moderieren. Zentral in diesem LV-Abschnitt ist die Reflexion der theoretisch gewonnenen Grundlagen in Verbindung mit den Praxisberichten und eine Diskussion über Mechanismen, Rahmenbedingungen (Regeln, Gesetze und Normen), Organisationskulturen, Sprache und Personalpolitiken, die Bestandteile einer Organisation sind. Ein besonderer Fokus wird im zweiten Teil auf Rassismen, geschlechtsbezogene und sexualisierte Belästigung sowie Diskriminierung und deren Abgrenzung zu Konflikten und Mobbing und deren Funktion in Organisationen gelegt werden.Im letzten Drittel der LV werden wir gemeinsam mit den Studierenden Lösungsansätze und Maßnahmen für organisationalen Wandel bzw. für Fairness am Arbeitsplatz erarbeiten, die das Potenzial haben eine intersektionale Gleichstellung in Organisationen zur gelebten Praxis zu machen. Hierzu zählen Konzepte wie Diversitätsmanagement, Anlaufstellen und Beauftragte, Inklusion/Barrierefreiheit oder Gender Mainstreaming sowie personenzentrierte Förderungen (z. B. Frauen*förderungen) und Empowermentstrategien (z. B. selbstorganisierte Gruppen). Abschluss des Drittels und der LV bilden dabei von den Studierenden selbstständig entwickelte Maßnahmen, welche Diskriminierungen bzw. Ungleichheiten sichtbar machen, entgegenwirken und abbauen.
Literatur
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